SM-Spiele

SM-Spiele sind Vorlieben von sexuellen Randgruppen - das glaubt man gemeinhin. Doch schon der ganz "normale" Sex ist reich an SM…
SM steckt in uns allen
Vielen Leuten kann man das Entsetzen und die Entrüstung im Gesicht ablesen, wenn sie nur über SM reden. Im Kopf haben sie dabei meist die Vorstellung von Gewalt und Misshandlung. Dabei ist fast jeder Erwachsene, ohne es überhaupt zu wissen, mitten im SM-Spiel drin. Der französische Philosoph Michel Foucault, der eine grundlegende Abhandlung über die Sexualität in den 60ern und 70ern verfasst hat, sieht jede Form der geschlechtlichen Liebe in Beziehung mit Macht und Gewalt.
Die Macht des Staates, Sex zu unterdrücken, die Macht der Gesetze, Wünsche zu wecken, indem ständig darüber geredet wird, was verboten ist. Viele dieser Einflüsse sind so alltäglich, dass man sie kaum noch bemerkt, sie zur Norm und – was viel schlimmer ist – als eine solche auch allgemein anerkannt werden. Man muss dabei nur mal an die Rollenverteilung von Mann und Frau bei der Missionarsstellung denken, die lange Zeit von der Kirche als einzige akzeptable Stellung für den Sex propagiert wurde. Der Mann liegt oben, gibt der Tradition gemäß den Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs vor und bestimmt auch sonst, was zu passieren hat. Die Frau liegt unten und ist traditionell passiv und harrt der Dinge, die da kommen. Wie man sieht, besteht auch das prototypische Liebesspiel grundlegend aus Macht und Unterwerfung – und schon ist man drin im SM. Ein guter Teil der Verständnisprobleme liegt in der SM-Sprache selbst begründet. Sie ist voller Abkürzungen oder Fachwörter, die Dinge verfremden, die doch allgemein verbreitet sind. Wer hat nicht schon mal seinen Partner an den Hoden ins Bett gezogen? In der Lederzunft ist das Penis- und Hoden-Folter. Wer hat nicht schon mal den Partner während des Verkehrs aufs Bett gepresst? Das hört sich doch stark nach "dominieren" an. Wer hat nicht schon mal die Füße des Partners geküsst oder ihn gebadet? Das sind alles Formen ausgedrückter „Anbetung“.

Was den Sex heiß macht, ist Macht.
Die Macht romantischer Liebe zwischen den Partnern, die Macht dessen, was verboten oder tabu ist, die Macht des Herrschens und Unterwerfens. Sex gepaart mit romantischer Liebe ist eher zufällig, Sex und Macht aber sind untrennbar. Machtspiele beim SM unterliegen in höchstem Maße einer Art gegenseitigem Vertrag und dem Vergnügen beider daran. Ausgehandelter Austausch von Gewalt und Schmerz zwischen zustimmenden Partnern zum Zweck des sexuellen, gefühlsmäßigen und philosophischen Vergnügens steht im krassen Gegensatz zu der Gewalt, die man bei einer Vergewaltigung oder der Unterdrückung irgendwelcher Gruppen findet. Jeder Sex ist ein Austausch von Gewalt und manche Leute erkennen das und drücken das auch aus. Manche finden gefühlsmäßige und körperliche Befriedigung in der intensiven Erforschung ihrer geheimsten Wünsche. Unsere sexuellen Wünsche ändern sich im Lauf der Zeit und sind von der Kultur, in der wir leben, beeinflusst. Gerade die westliche Kultur neigt dazu, strikte Einteilung in Schubladen vorzunehmen: Mann/Frau, hetero/homo, normal/pervers, gesund/krankhaft. Die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, kann dabei schwerwiegende soziale Konsequenzen nach sich ziehen. Wie der Sex schlechthin, hat SM keine ihm innewohnende Bedeutung. Diese Bedeutung wird vielmehr durch die Zeit und die Kultur, in der wir leben, in ihn hineingedeutet. Das heißt natürlich nicht, dass jetzt jeder losgehen sollte, um sich ein Leder- oder Latexoutfit zu besorgen. Es bedeutet lediglich, dass dieselbe Toleranz, wie sie gegenüber Romantik und Kavaliersex geübt wird, auch für den harten Sex oder das schamlose erotische Vergnügen gelten sollte. Tatsächlich können sich nämlich beide Formen beim Liebesspiel hervorragend ergänzen. Wir sind alle fähig, Macht und Gewalt bis zu einem gewissen Grad beim Sex zu genießen und die gemeinsame Erforschung dieser Neigung ist mehr wert, als ein Sexspiel von vornherein abzuurteilen.